Lebendige Ökumene - Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der VereinigÂten ReforÂmierÂten Kirche (United Reformed Church) und der EvangeliÂschen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)
Für junge Leute gehören ökumenische Gäste zum kirchlichen Alltag. Es dauerte Jahre, bis die ökumenische Bewegung nach der GrünÂdung des Ökumenischen Rates der Kirchen (1948) in unseren Kirchengemeinden Wurzeln schlug. Vorher mussten viele HinÂderÂnisse beseitigt werden: Dabei leisteten der Internationale KongregaÂtioÂnalistische Rat (ICC) und die Pfälzische Landeskirche 1957 ihren Beitrag.
Starthilfe nach dem zweiten Weltkrieg …
Die Geschichte begann nach dem 2. Weltkrieg in der NordÂpfalÂz. Mrs. Radborne, geborene Fadel, besuchte 1946 ihre Angehörigen in WolfÂstein. Sie wollte sehen, wie sie den Krieg überlebt hatten. Zurück in Worthing, Sussex, suchte sie eine Kirchengemeinde, um PaÂkete in die französische BesatÂzungsÂzone zu schicken.
1946 war das fast unÂmögÂlich. Die kongreÂgaÂtionalistische GeÂmeinde Shelley Road, Worthing, und Pfarrer Barnard Spaull unterstützen sie. Im I. Weltkrieg hatte er den KriegsÂÂdienst verÂweigert.
Sie schickten zwei Pakete mit Schuhen, PudÂding, Eipulver, Sardinen, GrießÂÂÂÂbrei, Corned Beef, Milchpulver und Tee nach Wolfstein. Pfarrer Wilhelm Schwarz und Barnard Spaull begannen einen regen BriefÂwechsel. Bereits 1949 besuchten eine Frau und zwei Männer aus Worthing Wolfstein. Auf dem HeimÂweg folgten ihnen zwei Frauen und zwei Männer aus Wolfstein.
… dann ein langer gemeinsamer Weg bis …
in der Gedächtniskirche der Protestation zu Speyer am 28. April 1957 die Vertreter des ICC und der protestantiÂschen Landeskirche ihren ersten gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst feierten. Zwölf Jahre nach KriegsÂende besiegelten sie die Kanzel- und AbendmahlsgemeinÂschaft. Es war ein Meilenstein auf dem Weg zur Gemeinschaft evangeliÂscher Kirchen in Europa (GEKE).
Brücken gebaut wurden!
Heute blicken wir dankbar auf das, was sich aus einem „Senfkorn“ entwickelt hat. Im geÂmeinsamen Hören auf Gottes Wort und bei der Feier des heiligen AÂbendÂmahles bauten Christinnen und Christen Brücken. Sie knüpften ein Netz von Freundschaften und überwanden Grenzen der Sprachen und Nationalitäten. Sie haben erlebt, wie tiefe Wunden heilÂten und Versöhnung Gestalt annahm.
Vertiefende Infos zur Geschichte des Kongregationalismus und zur tragfähigen Partnerschaft:
Der Kongregationalismus entstand in England zur Zeit der Königin EliÂsabeth I. In der anglikanischen Kirche hatte sich ein Flügel durchÂgeÂsetzt, der reÂforÂmatoÂriÂsche Änderungen begrenzte. Die, die nach Luthers und Calvins Vorbild radikale Neuerungen forderten, wurden ausÂgeschlosÂsen.
Erst nach der glorreichen Revolution 1688 wurden kongreÂgationaÂlistische GeÂmeinden in England und Wales geduldet. Man zählte sie zu den Nonkonformisten oder Dissentern. Sie gewannen in den USA groÂßen Einfluss. Das HerzÂstück der Kirche ist für den KongregaÂtionaÂlisÂmus die einzelne Gemeinde (conÂgreÂÂgaÂtion).
In der GeÂmeindeversammÂlung entscheiden alle Gemeindeglieder im Sinne des allgemeinen PriesÂterÂtums aller Gläubigen über das Gemeindeleben. KongregaÂtionalisten lehnen den König als Oberhaupt der Kirche und eine bischöfliche VerÂfasÂsung ab.
Sie bekennen Jesus Christus als das einzige Haupt der Gemeinde. Mit GeÂmeinden, die ähnlich geordnet sind, pflegen sie Gemeinschaft. In der WeltmisÂsion arbeiteten sie ökumenisch mit anderen Kirchen in der London Missionary Society (1795) zusammen.
Die Beziehung zwischen Worthing und Wolfstein weckte die AufmerkÂsamkeit des Internationalen Kongregationalistischen Rates (ICC) in LonÂdon. Der Rat gewährleistete die Verbindung zwischen den Gemeinden in alÂlen Erdteilen. Ökumenisch ausgerichtet, suchte der ICC das Gespräch mit dem Protestantischen Landeskirchenrat. 1955 kam es in Speyer zu dem entscheidenden Treffen. Der ModeraÂtor Maurice Watts verhandelte für den ICC und der Moderator Sidney Berry für die KongregationaÂlisÂtiÂsche Union von EngÂland und Wales mit dem protestantischen LandesÂkirÂchenrat über engere Beziehungen.
Sie wollten die theologische Arbeit vertiefen und herausarbeiten, was Kongregationalisten und Pfälzer Protestanten verbindet. Sie fassten „Besuche der Jugend, der Frauen, der Arbeiter“ und gemeinÂsame FreiÂzeiÂten ins Auge. Ein Ziel war, den ökumenischen Gedanken in den Kirchengemeinden zu verwurzeln und Versöhnung zu leben.
Die Gäste unterbreiteten einen Vorschlag: „ModeraÂtor Watts erklärte, dass das International Congregational Council den PfarÂrern und GeÂmeinÂdegliedern der Pfälzischen Landeskirche volle KanÂzel- und AbendÂmahlsgemeinschaft gewähre.“ KirchenpräÂsident Stempel dankte für dieses Angebot der GeÂmeinÂschaft. Er erläuterte das Verfahren innerhalb der Landeskirche und wies auf zu erwartende Widerstände hin.
Damals bestand zwischen protestantischen Landeskirchen in Deutschland keiÂne Abendmahlsgemeinschaft. Der Ratsvorsitzende der EKiD, LanÂdesÂbischof Dr. Otto Dibelius, war verärgert. Doch die Landessynode entÂschied 1956, mit dem ICC eine Kanzel- und AbendmahlsÂgeÂmeinÂschaft zu schließen.
1956 erörterten in London Vertreter der Landeskirche und Vertreter des ICC, der kongregationalistischen Union von England und Wales und der kongreÂgationalistischen Union von Schottland eine Erklärung und planten die FestgottesÂdiensÂte in Speyer und London. Die theoloÂgiÂsche Arbeit sollte auf Konferenzen fortgeführt werden. Themen waren „das gemeinsame reformatorische Verständnis des Evangeliums und des Abendmahles“. Gemeinsame Pfarrertagungen, JugendausÂtausch sowie Arbeiternehmerfreizeiten wurden angeregt ebenso ein InformationsausÂtausch. Aufmerksam verfolgten sie die Bildung von Unionskirchen.
Die Anwesenden verfassten die „ERKLÄRUNG vom 1. März 1956“:
„1. Die Mitgliedskirchen des International CongreÂgaÂtional Council erklären, dass sie mit der Vereinigten Protestantisch-EvanÂÂgeliÂschen-Christlichen Kirche der Pfalz in voller Kanzel- und AÂbendÂÂÂÂmahlsgemeinschaft stehen.
2. Die Pfälzische Landeskirche erklärt, dass sie mit den Mitgliedskirchen des International Congregational CounÂÂcil in voller Kanzel- und AbendÂmahlsÂgemeinschaft steht.“
Diese schlichten Sätze genügten, um eine Gemeinschaft zu beÂgründen, die 2022 65 Jahre besteht.
In der Gedächtniskirche der Protestation zu Speyer feierten am 28. April 1957 die Vertreter des ICC und der protestantiÂschen Landeskirche ihren ersten gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst. Zwölf Jahre nach KriegsÂende besiegelten sie die Kanzel- und AbendmahlsgemeinÂschaft. Es war ein Meilenstein auf dem Weg zur Gemeinschaft evangeliÂscher Kirchen in Europa (GEKE).
Die Predigten hielten der Moderator des ICC, Dr. S. Maurice Watts, und Kirchenpräsident D. Hans Stempel. 30 PerÂsönÂlichkeiten aus dem Bereich des ICC waren nach Speyer gekommen aus EngÂland, Wales, Schottland, AusÂÂtralien, Neuseeland und den USA. Grußworte sprachen der englische Generalsekretär H. S. Stanley und der ameriÂkanische Professor Dr. Howard Schomer, der hessische KirchenpräÂsiÂdent Dr. Martin Niemöller und der rheinische Präses D.D. JoÂaÂchim Beckmann.
Maurice Watts brachte Gemeinsamkeit und UnterÂschieÂde zum AusÂdruck. „Wir suchen keine Identität der KirÂchenregieÂrung und keine Uniformität der Gottesdienste, sondern geistÂliche Gemeinschaft in Christus, unserem Herrn. Wir verkünden unsere GeÂmeinschaft am Tisch des Herrn als verschworene Nachfolger Christi.“
Auf dem Boden dieser Gemeinschaft entwickelte sich ein reger AusÂtausch zwischen Kirchengemeinden, in der Jugend-, Frauen- und MänÂnerarbeit sowie der Lehrerfortbildung.
Pfarrer Ernest Dawe (1923 London – 2000 Ludwigshafen) verkörperte über Jahrzehnte die Kanzel und AÂbendÂmahlsgemeinschaft. Er hatte den Kriegsdienst verweigert und stattdessen im Bergwerk gearbeitet. Von 1957 bis 1983 versah er seinen Dienst in Ludwigshafen. Als DolmetÂscher begleitete er die Männerarbeit, JuÂgendgruppen, KirchengemeinÂden, Landessynode und Landeskirchenrat bei Begegnungen. Alljährlich arbeitete er in der nordirischen Corrymeela Gemeinschaft für VerÂsöhÂnung. Das pfälzische BlauÂe Kreuz denkt gern an seinen Dienst.
Im Dekanat Zweibrücken wirkte als Pfarrer Dr. Harold Tonks von 1967 bis 1970 in St. Ingbert. Mit seiner Gemeinde Carrs Lane, BirÂminÂgham, begann er 1972 eine Partnerschaft mit ZweiÂbrücken. Von1986 bis 1994 baute er die Klinikseelsorge in Blieskastel auf.
In England und Wales schlossen sich 1972 Kongregationalisten und Presbyterianern zur Vereinigten ReforÂmierten Kirche (URC) zusammenÂ. Ihnen folgten die Churches of Christ und die schottischen KongregaÂtioÂnalisten.
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